Warum Kinderbücher politisch sind
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Seien wir mal ehrlich! Kennen wir nicht alle den Moment, an dem wir am Frühstückstisch sitzen und uns über ein ganz alltägliches Thema unterhalten, und im nächsten Augenblick sprechen wir über höchst politische und gesellschaftliche Themen?
Das geht uns echt so oft so! Meistens enden die Gespräche tief in feministischen, kapitalistischen oder anderen gesellschaftlichen Themen. Und nicht selten beginnt das Ganze mit einem Kommentar übers Wetter oder dem Einkaufen.
Was wir dann immer feststellen ist: Alles ist politisch!
Und warum sollte dies bei Kinderbüchern anders sein? Wenige Dinge polarisieren die Kommentarspalten auf Social Media so sehr wie ein neues queeres Kinderbuch oder generell die Darstellung von mehr als einer Lebensrealität. Hier geht es dann ganz offensichtlich darum, mit wie vielen und welchen Informationen wir Kindern ausstatten. Sind es zu wenige schreien manche auf und sind es zu viele oder gar die "falschen" schreien andere. Allein das führt schon zu einer politischen Diskussion, die Bundestagsreif sein kann.
Dabei wird oft vergessen, dass Kinderbücher zur Lebenswelt der Kinder gehören und diese maßgeblich mit beeinflussen. Kinder identifizieren sich mit Protagonist*innen, spielen die Geschichten und das Gesehene nach und kopieren so die Rollen die ihnen gezeigt werden. Heruntergebrochen könnte man sagen, Kinderbücher zeigen Kindern wie die Welt funktioniert.
Dabei ist es sehr wichtig sich einige Fragen bei Kinderbüchern zu stellen:
Was sieht das Kind? Wer spricht und wie viel? Wer macht Dinge und was sind das für Dinge? Wer zeigt Gefühle? Wer ist "gut" und wer ist "böse"? Wie wird über Körper gesprochen? ...
Die Liste könnte noch sehr lange weitergehen! Kinderbücher zeigen Kindern was "normal" ist und was nicht. Meistens wird das "unnormale" durch Nichtdarstellung deutlich. Es wird den Kindern gezeigt, wer sich wie verhält und welche Menschen Anerkennung bekommen und wer nicht. Dabei beschränkt sich das nicht nur auf ein Buch, sondern auf die Gesamtheit der den Kindern zur Verfügung stehenden Medien. Hier mal ein Beispiel:
Ein Kind hat ein Aufklärungsbuch über ein weißes, cisgeschlechtliches, heterosexuelles, verheiratetes Paar welches ein Baby durch Sex zeugt. Findet das Kind jetzt auch im persönlichen Umfeld keine anderen Lebensrealitäten, so wird es vermutlich das im Buch gelernte als Norm ansehen. Wie begegnet das Kind jetzt einer anderen Lebensrealität, wenn es auf eine trifft?
Lernt dieses Kind jetzt allerdings von Anfang an, dass Homosexualität vollkommen normal ist, dann weiß es, dass nichts falsch ist, wenn es merkt, dass es selbst homosexuell ist. Oder es begegnet anderen homosexuellen Menschen ohne Vorbehalt. Wenn Kinder wissen wie ihre Genitalien heißen und über dem Intimbereich kein Mantel des Schweigens liegt, können sie leichter sagen, wenn jemand ihre Grenzen überschritten hat und sich Hilfe suchen.
Ist es nicht das, was wir uns für die Kinder wünschen?
Wie wichtig die Repräsentation von BiPoC in Kinderbüchern ist, ist absolut nichts Neues. "Wenn in Kinderbücher immer nur von weißen Kindern erzählt wird, dann erfahren Kinder of Color eine kontinuierliche Abwertung. Diese Realität ist nicht nur gefährlich für Kinder of Color, auch weiße Kinder leiden unter dieser limitierten und einseitigen Perspektive. Denn wenn Kinder of Color nicht Teil ihrer Lesewelt sind, dann lernen sie eine fiktive Welt kennen, in der nur sie existieren, nur ihre Perspektiven zählen"¹
Es geht hier also um Empowerment und Empathie. Und das sind doch zwei Dinge die wir uns allen Kindern wünschen, oder nicht?
Denn eines können wir schon mal festhalten: Repräsentation ist wichtig! Aber Sichtbarkeit sollte darüber hinaus auch auf Religionen, Kulturen, Behinderungen und vieles mehr ausgeweitet sein.
Und jetzt sagt noch wer: "... lasst doch die Kinder einfach Kinder sein!". Kinderbücher bilden Lebensrealitäten ab, sie zeigen wie die Welt funktioniert. Und genau deshalb sind Kinderbücher politisch und das ist auch gut so, finden wir!
¹ Aus: Gib mir mal die Hautfarbe, 2021, Seite 172.